Alwin Lay
aute aussichten
Deichtorhallen – Haus der Photographie
 
7.2. – 23.3.2014
 

Text  von Verena Hein de  

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DE

Alwin Lay hinterfragt in seinen Werken das Verhältnis von Fotografie und Skulptur. Seine Fotoarbeiten stellen sich kunstimmanenten Fragestellungen und beschäftigen sich ebenso mit der Präsentation im Ausstellungsraum. Ein Leitmotiv von mod. CLASSIC ist eine Vitrine, deren Funktion die geschützte Präsentation eines Objekts in einem musealen Kontext beinhaltet. Zudem verleiht sie dem Exponat Wertigkeit, es wird dadurch auf eine neue, höhere Bedeutungsebene gebracht. Lay gibt einen Prototyp der Vitrine mit weißem Sockel und Glashaube wieder: The Black Pine (2010) zeigt eine schwarze Ananas, die vollständig verkohlt ist, jedoch ihre Form in allen Details behalten hat. Die nicht zu dechiffrierende Symbolhaftigkeit der Frucht und die Ästhetik der Installationsaufnahme machen Lays Werk zu einem eigenen Kommentar auf kunsthistorische Sujets des „Memento mori“. 

Die Fotografie Permanent Sparkler (2012) besticht durch die gleiche Art der Präsentation. Eine brennende Wunderkerze wird in einer Vitrine zur Schau gestellt. Sie ist schräg in den Raum positioniert, dessen helle Farbigkeit den Effekt der brennenden Kerze schwächt, und wird so zu einer neutralen Präsentation gezwungen. Lediglich das Grün in den Ecken der Glasscheibe gibt einen farblichen Akzent. Und erst auf den zweiten Blick erkennt man das Besondere des Sujets: die Wunderkerze brennt nicht vom Anfang bis zum Ende ab, sondern die ganze Kerze sprüht Funken. Lay bezeichnet dies als „fotografische Schleife.“

Die Wunderkerze ist in seiner Videoarbeit ebenso Protagonist. Lay projiziert das Werk in ähnlichem Format zu seinen C-Prints, so dass beide in derselben Werkgruppe bestehen. Die Arbeit Glas Wasser von 2010 zeigt einen Raum, in dessen linken Bildfeld Lay weiße Palmenzweige in einer Vase platziert hat. Am rechten Bildrand ist angeschnitten eine Tischkonstruktion zu sehen. Die Tischbeine sind aus Wunderkerzen zusammengesetzt, auf der schrägen Platte befindet sich ein Glas Wasser. Die Anordnung, die in ihrer Ästhetik an Gemälde der Neuen Sachlichkeit denken lässt, wird initiiert, in dem die horizontal auf dem Boden befindliche Kerze angezündet wird, schließlich wird das Feuer auf die Vertikale übertragen, die Tischplatte könnte dadurch instabil werden – und die Befürchtung, dass das Glas Wasser auf die Palmenzweige fällt, wächst stetig an, wird aber nicht eingelöst. 

Die Arbeit Ballon (2012) spielt ebenso mit dem Zustand des Gleichgewichts. In fragiler Anordnung sind Alltagsgegenstände gestapelt. Auf ein Glas wird ein Luftballon gesetzt, der durch den Druck einer umgekehrten Kunststoffflasche fixiert ist. Neben dem Glas befindet sich ein kleines Teelicht, dessen Docht an einer Wunderkerze anliegt. Der Zuschauer befürchtet ein Platzen des Ballons, eine weitere Kettenreaktion ist vorstellbar. Doch Lay erfüllt die gespannte Erwartung nicht. Denn der Betrachter fühlt sich an die Werke von Fischli und Weiss erinnert. Das Schweizer Künstlerduo Peter Fischli (geb. 1952) und Peter Weiss (1946–2012) visualisierte in ihrem ikonenhaften Film Der Lauf der Dinge (1987) auf eindrückliche und humorvolle Weise eine Kettenreaktion. Durch einen kleinen Eingriff wird eine Reihe von Versuchsanordnungen ausgelöst, die Ursache und Wirkung und den Verlust von Gleichgewicht darstellen. Lay hingegen überrascht den Zuschauer mit der Nicht-Erfüllung der erwarteten Kettenreaktion, gewinnt die Aufmerksamkeit und lässt auch den humorvollen Blick nicht missen. Doch liegt der wesentliche Unterschied, und damit Lays Leistung, in der Übersetzung seines fotografischen Konzepts in das Medium Film. Er vermeidet einen dynamisch-narrativen Ansatz, die leichte Veränderung der Loops lässt an eine Aneinanderreihung von einzelnen fotografischen Motiven denken. Jeder singuläre Film-Still würde als eigenständiges Werk in der Handschrift Lays funktionieren.

 

Das Austarieren der Eigenschaften von Skulptur und Fotografie setzt Alwin Lay in Double Framed Lightbox (2012) in differenzierter Weise um. Statt einer Vitrine verwendet er einen Leuchtkasten, ein weiteres Inventar des Ausstellungsraums. Lay eignet sich den Leuchtkasten an, indem er ihn beidseitig in Passepartouts rahmt. Fotografiert in einer prototypischen Galerie – grauer Boden, weiße Wand – wird diese Aufnahme in einem Leuchtkasten stehend im Ausstellungsraum präsentiert. Fragen von Bild und Abbild sowie der Wahrnehmung von Ausstellungsexponaten im repräsentativen Raum sind ebenso zu stellen, wie nach der grundlegenden Eigenschaft von Fotografie, die wie Lay bemerkt „ein Fenster zur Realität“ sein soll. 

Dieser Ansatz ist gleichsam in der zweiteiligen Arbeit mod. CLASSIC (2013) impliziert, welche die besprochenen Aspekte in sich vereint. Der Ausstellungsbesucher sieht sich mit einer Skulptur und einem Künstlerbuch konfrontiert. Der Schutzumschlag, der das Buch ziert, ist der Bedienungsanleitung der Espressomaschine mod. Classic entliehen. Im Vorfeld platzierte Lay – analog zu den bereits erwähnten Fotografien – diese Siebträgermaschine der Marke „Gaggia“ in einer Vitrine. Die Maschine produzierte dort endlos Espresso, solange, bis sich die Haube damit gefüllt hatte und von der Maschine nichts mehr zu sehen war. Es entstand eine monochrome, in ihrer schlichten Prägnanz an Minimal Art erinnernde Skulptur, deren Innenleben einzig anhand des Künstlerbuchs zu entdecken ist. Dort dokumentiert Lay in einzelnen Aufnahmen den Ablauf der Zeit und hebt die Funktionalität der Maschine hervor: Die Kaffeemaschine ertrinkt in ihrer eigenen Produktion – wie Lay es nennt: „Sie löscht ihr eigenes Bild aus.“


Text: Verena Hein